Feminismus vs. Women‘s Rights

„Frauenrechte sind Menschenrechte“ – so lautet das Motiv, unter dem die internationale Gemeinschaft seit den 1970er Jahren auf geschlechtsbezogene Diskriminierung gegen Frauen aufmerksam macht. Mit Erfolg: 1979 wurde die UN-Konvention CEDAW (Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau) verabschiedet. CEDAW befeuerte die Idee eines internationalen Feminismus und einer „globalen Schwesternschaft“. Was aber bedeuten Feminismus und Frauenrechte eigentlich in unterschiedlichen globalen Kontexten?

Feminist*innen weltweit kritisieren die Idee einer „globalen Schwesternschaft“. Denn Frauen erfahren je nach Kontext und Gesellschaft unterschiedliche und verschieden stark ausgeprägte Formen von Diskriminierung. Eine cis-Frau macht andere Erfahrungen als eine trans* Frau, eine weiße Frau macht wiederum andere Erfahrungen als eine Schwarze Frau. Die Vorstellung einer „globalen Schwesternschaft“ berücksichtigt diese unterschiedlichen Erfahrungen nicht und macht sie unsichtbar. Entscheidend ist hier die Frage: Wer macht eigentlich Feminismus für wen? Feministische Theorie und die Auslegung von Frauenrechten wurde und wird vor allem von weißen europäischen und US-amerikanischen Frauen geprägt. Darum fließen vorwiegend die Erfahrungen und Sichtweisen weißer Feminist*innen in die Debatten ein. Perspektiven und Probleme von Frauen, die zum Beispiel Schwarz, indigen oder muslimisch sind, sind weniger sichtbar und weniger repräsentiert. Zumal in der Geschichte immer wieder weiße Frauenrechtler*innen durch ihren Rassismus auffielen. Ein Beispiel dafür ist die Amerikanerin Rebecca Ann Felton, die sich Ende des 19. Jahrhunderts für das Wahlrecht weißer Frauen einsetzte. Gleichzeitig verteidigte Felton die „Rassentrennung“, befürwortete vehement Lynchjustiz gegen Schwarze Menschen und hielt Schwarze Menschen allgemein für weniger wert. Diese rassistischen Ausprägungen von einem vorgeblich universellen Feminismus sind noch heute vorhanden. So hat der Präsident Brasiliens, Jair Bolsonaro, eine bekannte Feministin des Landes zur Staatssekretärin für Frauen gemacht. Sara Winter, eine weiße Frau, setzt sich für andere weiße Frauen ein, wertet aber sowohl indigene Gruppen als auch trans* Frauen ab.

Der rassistische Blick im Feminismus ist problematisch, weil Frauen in Ländern des Globalen Südens und in transkulturellen Kontexten aus einer weißen Perspektive betrachtet werden. Frauen in Ländern des Globalen Südens werden dabei häufig als einheitliche Gruppe gedacht. Der euro-amerikanische Blickwinkel sieht sie als machtlos, abhängig und als Opfer. Diese verzerrte Vorstellung beruht vor allem auf Stereotypen aus der Kolonialzeit. Gesellschaften des Globalen Nordens werden in dieser Logik als Normalität oder Ideal dargestellt, an das sich Gesellschaften des Globalen Südens anpassen müssen. In der Folge nehmen Menschen im Globalen Norden den Globalen Süden zum Beispiel als kulturell, sozial oder wirtschaftlich weniger „entwickelt“, weniger gebildet, passiv und patriarchal wahr.  

Oft dominiert die Idee, Frauen müssten im Globalen Süden aus ihrer Unterdrückung befreit werden und könnten ihre Kämpfe nicht selbst gestalten. Eine Feministin, die Hijab trägt, wird beispielsweise oft weniger ernst genommen als ihre weiße Kollegin, die keinen Hijab trägt. Der Hijab-Trägerin wird unterstellt, sie sei gezwungen den Hijab zu tragen und müsse sich von diesem Zeichen „männlicher Unterdrückung“ befreien, um mitreden zu können. Tatsächlich gibt es viele feministische Bewegungen weltweit, z.B. Schwarzer Feminismus, muslimischer Feminismus oder Ökofeminismus, die für ihre spezifischen Belange einstehen, nur hören weiße Menschen ihnen oft weniger zu.  

Postkoloniale, rassistische und sexistische Strukturen sind also eng miteinander verwoben und wirken auf die Lebensrealitäten von Frauen ein. Ein Ansatz, der versucht verschiedene, aber verwobene Diskriminierungen aufgrund von Geschlecht, Sexualität, Hautfarbe, Klasse, Religion etc. zu berücksichtigen, heißt Intersektionalität. Für globalen Feminismus bedeutet dieser Ansatz, anzuerkennen, dass es nicht die Unterdrückung der einen Frau gibt und weiße Perspektiven nicht als Maßstab gelten können. Intersektionaler Feminismus will Stimmen, die wenig Gehör finden, sichtbar machen.

Illustrationen: Darcy Quinn