Was unter einer Ehe verstanden wurde und wird, kann ganz verschieden sein. Meist umfasst sie einen Mann und eine oder mehrere Frauen, im antiken Rom war auch eine Ehe zwischen zwei männlichen Aristokraten möglich. Bei der seit 2017 in Deutschland möglichen Ehe für gleichgeschlechtliche Paare steht dagegen im Mittelpunkt, dass sich zwei Männer oder Frauen lieben und das mit ihrer Heirat dokumentieren. Unabhängig von Liebe und Begehren haben alle denkbaren Ehen gemeinsam, dass Fragen des Besitzes und der Versorgung geregelt wurden und werden. Dies war und ist von zentraler Bedeutung, wenn nicht wie bei uns ein Staat mit Renten- und Krankenversicherung den* die Einzelne*n gegen Krankheit und im Alter absichert.

Vor dem Hintergrund der Absicherung, war oft weniger wichtig, ob die Brautleute sich kannten oder mochten. Wichtiger war, in welche Familie geheiratet wurde und ob die Ehe eine gute Absicherung bedeuten würde. Es wurde geheiratet, um Bündnisse zu schließen oder eine Erbschaft in den eigenen Familienverband zu bringen. So schickte bspw. die österreichische Kaiserin Maria Theresia ihre Tochter Marie-Antoinette mit 16 Jahren zur Heirat mit dem französischen Thronfolger nach Versailles, um das Bündnis zwischen Paris und Wien zu festigen. Ein Vermögen durch Heirat zu erwerben, war aber nicht nur im Adel üblich. So heirateten in den Städten öfter junge Gesellen alte Witwen von Handwerksmeistern, damit sie deren Betrieb übernehmen konnten.

Ehe in der westlichen Welt
– zwischen Liebe und Vertrag

Weil die Ehe in erster Linie eine wirtschaftliche Frage war, hatte sie zunächst auch nichts mit der Kirche und dem Glauben zu tun. Mit der sich immer stärker entwickelnden Ablehnung der Sexualität im Christentum wurde von den Kirchenvertretern stattdessen die Ehelosigkeit und Enthaltsamkeit als Ideal verkündet (für vertiefende Informationen, siehe Zölibat). Die Kirche trat schließlich dafür ein, dass ein Mann und eine Frau sich in freier Entscheidung das Ja-Wort geben sollten. Das hatten besitzlose Menschen zwar schon immer getan, diese Entscheidung wurde jedoch nun in ein neues Licht gerückt: Wenn es schon zu Sexualität kam, dann war sie in der Ehe das kleinere Übel. Eine unterschiedliche Bewertung von Sexualität in und außerhalb einer Ehe hat sich dabei bis heute gehalten.

Im Jahr 1215 verbot die Kirche alle Ehen, die nicht im Beisein eines Priesters geschlossen wurden. Insbesondere die Katholische Kirche erklärte die Ehe immer mehr zu einem Sakrament, also zu einer von Gott selbst gegebenen Verbindung. Daraus ergab sich umgekehrt, dass Ehen nach diesem Verständnis nicht mehr ohne Ausnahmegenehmigung des Papstes als Stellvertreter Gottes geschieden werden konnten. Für die Kirche ergab sich damit ein Geschäftsmodell: Wenn ein Paar sich scheiden lassen wollte, ermöglichte der Papst dies gegen Zahlungen. Allerdings verbanden sich für die Kirche mit Bestehen auf der Unauflöslichkeit der Ehe auch andere wirtschaftliche Vorteile. Blieb eine Ehe kinderlos, hinterließen die Menschen ihr Vermögen in der Regel der Kirche.

Heute wird die Ehe bei uns vor allem als Verbindung zwischen zwei Menschen gesehen, die sich lieben und sich deshalb in freier Entscheidung heiraten. Entwickelt hat sich diese Vorstellung ab dem 18. Jahrhundert in der bürgerlichen Gesellschaft. Sie konnte sich vor allem in den Gesellschaften des heutigen Westens durchsetzen, weil diese das Individuum und seine Gefühle in den Mittelpunkt stellen und gleichzeitig ein Leben ohne Ehe möglich geworden ist. Die Befreiung der Ehe von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zwängen führt allerdings auch dazu, dass Ehen, die auf Liebe basierten immer häufiger geschieden werden. Heirateten früher die meisten Paare, ohne sich zu lieben, so lassen sich Paare in der heutigen Zeit meistens scheiden, wenn sie sich nicht mehr lieben.

Illustrationen: Darcy Quinn