Eine Frage der Sichtbarkeit

Das B in der Abkürzung LSBTIQ* steht für bisexuell. Für Außenstehende ist es oft schwierig, diese sexuelle Orientierung zu verstehen. Gängig sind Vorurteile wie: Sind nicht alle etwas bisexuell? Schaut man auf prominente Personen, scheint es gar „modern“ zu sein, über Erfahrungen mit mehr als einem Geschlecht zu reden – ohne sich jedoch als bisexuell zu bezeichnen. Diese unscharfe Darstellung von Bisexualität kann für Bisexuelle wie Außenstehende verwirrend sein. Auch sind bisexuelle Beziehungsmodelle weniger sichtbar als andere. Was genau bedeutet also Bisexualität und was trägt dazu bei, dass Bisexualität als sexuelle Orientierung wenig sichtbar bleibt?

Bisexuell, Bi+sexuell, Bi*sexuell oder Pansexuell

Wie bei anderen sexuellen und geschlechtlichen Identitäten gibt es auch bei Bisexualität sehr unterschiedliche Menschen, die sich mit dem Begriff identifizieren oder bezeichnen möchten – und damit auch verschiedene Definitionen. Zunächst einmal bedeutet Bisexualität, dass Menschen sich sowohl zu Männern als auch Frauen sexuell hingezogen fühlen. Das Präfix „bi“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet „zwei“. Seine Ursprünge hat diese Verwendung des Begriffs im letzten Jahrhundert. Menschen, die sich nicht im Rahmen der Zweigeschlechtlichkeit verorten, wurden hier noch nicht mitgedacht. Um zu kennzeichnen, dass Bisexualität sich nicht nur auf zwei Geschlechter beziehen muss, gibt es Definitionen, die dies mit einem + oder * deutlich machen (bi+sexuell/ bi*sexuell). Eine weitere Bezeichnung, die oft in einem Zusammenhang mit sexuellen Beziehungen zu mehr als einem Geschlecht vorkommt, ist Pansexualität. Das Präfix „pan“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet „alles“. Entsprechend bedeutet Pansexualität, dass sich jemand emotional, romantisch und sexuell zu Menschen jeden Geschlechts hingezogen fühlt.

Vorurteile gegenüber Bisexuellen

Stereotype gegenüber Bisexuellen sind, sie seien sexuell promiskuitiv, nicht fähig zu Treue oder Monogamie oder in einer Findungsphase. In den Medien gibt es wenige bisexuelle Charaktere. Bisexualität bei Frauen wird dabei noch weniger ernst genommen. Lesbischer Sex wird in den Medien oft nur in der Erwartung eingebaut, dass heterosexuelle Männer ihn erregend finden. Der Spruch, „Ob nicht alle ein bisschen bisexuell sind“, geht auf Sigmund Freud zurück, der davon ausging, alle Kinder seien in einer bestimmten Entwicklungsphase bisexuell. Bei Erwachsenen sei Bisexualität aber später als instabil zu bewerten. Wissenschaftlich ist Bisexualität jedoch wenig untersucht. Wegbereitend für das Verständnis von Bisexualität war der Kinsey Report: Der amerikanische Sexualwissenschaftler Alfred Kinsey interviewte in den 1940er Jahren mehr als 11.000 Menschen zu ihren sexuellen Neigungen und stellte die Ergebnisse auf einer Skala von 0 (ausschließlich heterosexuell) bis 6 (ausschließlich homosexuell) dar. Das Ergebnis der Umfrage zeigte, dass die Hälfte der Befragten weder eindeutig heterosexuell noch eindeutig homosexuell einzuordnen war.

Bisexualität innerhalb von LSBTIQ* Bewegungen

In Deutschland bildete sich in den 1970er Jahren im Zuge von lesbischen, schwulen und feministischen Bewegungen auch eine politische bisexuelle Identität heraus. Innerhalb dieser Bewegungen traten jedoch auch negative Reaktionen auf Bisexualität auf. Grund dafür ist, dass bisexuelle Menschen auch heterosexuell gelesene Beziehungen eingehen können. Bisexuelle Menschen können demnach sowohl in hetero- als auch in homosexuellen Kontexten Diskriminierung und Ausgrenzung erfahren. Für bisexuelle Menschen kann der Prozess, die eigene sexuelle Orientierung zu erkennen und benennen, somit langwierig sein und für ständige Unsicherheit sorgen. 

Illustrationen: Darcy Quinn