Bantu
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Geschlechterrollen jenseits von europäischen Vorstellungen
Den Überlieferungen nach war Nzinga keine Königin nach europäischem Verständnis, sondern regierte als Mann gekleidet in der Rolle eines Königs. Sie war umgeben von einem großen Harem junger Männer, die als Frauen gekleidet die Rolle von Ehefrauen einnahmen. Nicht nur Königin Nzinga, auch Ganga-ya Chibanda, ein spirituelles Oberhaupt einer Gesellschaft im Bantu-Kongo-Reich des 17. Jahrhunderts, entsprach nicht den Vorstellungen der europäischen Kolonialmächte. Ein Missionar aus dieser Zeit wunderte sich nicht nur über die von Chibanda getragene Frauenkleidung und die Selbstbezeichnung als „Großmutter“, sondern auch über den hohen sozialen Status, den Chibanda als „Großmutter“ genoss. Neuere ethnographische Berichte deuten darauf hin, dass die bereits früh von den Portugies*innen beobachtete – und zumeist abgelehnte – soziale Anerkennung alternativer Geschlechterrollen sich bis ins 20. Jahrhundert erhalten hat. Denn auch von den Ondonga im Süden des heutigen Angolas wurde noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts berichtet, dass deren höchster religiöser Orden, die Ovatikili, ausschließlich männliche Schamanen rekrutierte, die sich als Frauen kleideten und Arbeit verrichteten, die sonst eher Frauen zugesprochen wurde. Sie heirateten sogar andere Männer, die wiederum auch weibliche Ehefrauen haben konnten.
Auch unter den Ovimbundu soll es noch in den 1930er Jahren alternative Geschlechterrollen unter den Medizinmännern gegeben haben, die trotz Bestrafung durch die Kolonialverwaltung darauf beharrten, Frauenkleider zu tragen und Arbeit zu verrichten, die Männern in deren Gesellschaftsbild nicht anstand.
Die Liste dieser Einzelfunde in Überlieferungen ist lang und deutet darauf hin, dass unter den Bantu-Gesellschaften alternative Geschlechterrollen auf Basis kultureller oder religiöser Überzeugung verbreitet gewesen sein dürften.
Homosexualität als sichtbarer Teil der Gesellschaft
Homosexuelle Verhaltensweisen und Beziehungen unter Gleichaltrigen, insbesondere in den Jahren vor der heterosexuellen Ehe waren vor der Kolonialzeit sowohl unter Männern als auch unter Frauen verbreitet. So nahmen sich Azande-Krieger im Nordkongo jüngere Männer als zeitweilige Ehefrauen. Diese Praxis war so selbstverständlich, dass die Krieger den Eltern des jungen Mannes einen Brautpreis zahlten. Aber auch innerhalb der häufig polygamen Ehen war bis Mitte des 20. Jahrhunderts in verschiedenen Gesellschaften der Bantu Homosexualität unter verschiedenen Ehefrauen einer Familie üblich. Männliche europäische Ethnologen erklärten sich dies mit einer wesentlich intimeren Liebe zwischen Frauen. Aber auch mit der Vermutung, dass afrikanischen Frauen von einzelnen Männern nur schwer zufrieden zu stellen wären. Diese Denkmuster wurden nicht zuletzt geprägt durch die während der Kolonialzeit entstandenen Mythen von „primitiven“ oder „hypersexuellen Afrikaner*innen“, welche bis heute die Realität queerer afrikanischer Lebensweisen verdecken (weitere Informationen zu der Erschaffung dieser Mythen findest du auf der Tafel Kolonialismus). Dabei könnten gerade herausragende Persönlichkeiten, wie die Krieger-Königin Nzinga, die den portugiesischen Kolonialmächten entschlossen widerstand, noch heute jene Geschichten erzählen, die kulturelles Erbe mit dem Bewusstsein und der Akzeptanz alternativer Geschlechterrollen verbinden.
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