Vereinte Seele

Two-Spirit ist eine Bezeichnung für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans* und Inter* (LSBT*I*) in Nordamerika, die indigener Herkunft sind (Menschen, die oft fälschlich „Indianer“ genannt werden).

Übersetzt bedeutet Two-Spirit „jemand, der eine männliche und eine weibliche Seele in sich vereint“. Dies bezieht sich auf Menschen, die schon lange vor der europäischen Kolonisierung zwischen Mannsein und Frausein lebten. Diese hatten eine besondere Bedeutung in manchen indigenen Gemeinschaften, in einigen mythischen Geschichten und bei besonderen religiösen Festen. Dort wurden damals vier verschiedene Geschlechter anerkannt: Frauen, MannFrauen, FrauMänner und Männer. Dabei gab es viele Unterschiede zwischen den mehr als 500 verschiedenen indigenen Gemeinschaften.

Heute leben nur noch wenige Two-Spirits in indigenen Dörfern auf den Reservationen bzw. in Kleinstädten in der Nähe. Viele Two-Spirits leben in Metropolen wie New York oder Toronto. Dort sind Gruppen von Two-Spirits entstanden. Die erste ist 1975 in San Francisco gegründet worden – zunächst als Coming-out-Gruppe innerhalb der American Indian Movement. Seit Mitte der 1980er sind weitere gegründet worden, um schwule und bisexuelle Männer beim Kampf gegen HIV/Aids zu unterstützen. Daraus ist ein Netzwerk aller Gruppen in Nordamerika entstanden, das sich jeden Sommer trifft. 1990 hat dieses Netzwerk die englische Formulierung „Two-Spirit“ bewusst als Selbstbezeichnung gewählt, um sich zwischen den vielen verschiedenen indigenen Sprachen zu verständigen.

Negative Folgen der Kolonisierung

Die europäischen Missionare, Soldaten und Siedler*innen genauso wie die US-amerikanischen und kanadischen Behörden verachteten die Menschen indigener Herkunft zumeist, vertrieben sie von ihrem eigenen Land oder töteten sie gar. Zudem verboten sie indigene Religionen und Heilverfahren. All dies geschah aufgrund von Rassismus. Davon waren auch die früheren MannFrauen und FrauMänner betroffen. Dies geschah aufgrund von Sexismus und Feindlichkeit gegenüber LSBT*I*. Früher wurden MannFrauen und FrauMänner in etlichen indigenen Gemeinschaften anerkannt und teilweise sogar besonders geachtet.

Doch haben viele indigene Gemeinschaften im Laufe der Zeit die negativen westlichen Einstellungen übernommen und verachten nun selbst Two-Spirits. Erst seit kurzem ist es den Two-Spirit-Gruppen teilweise gelungen, mit Verbänden sowohl von LSBT*I* als auch von indigenen Menschen zusammenzuarbeiten. Dadurch erfahren Two-Spirits inzwischen auch in etlichen indigenen Organisationen in den Metropolen und auf einzelnen Reservationen wieder Anerkennung.

Heutige Two-Spirit-Aktivist*innen

Die Two-Spirit-Gruppen bieten Selbsthilfe, Beratung und Treffen. Sie beteiligen sich an indigenen Heilungsritualen, Schwitzhütten oder Powwows (Tanzwettbewerbe, bei denen es Preise für die besten Tänzer*innen und für die schönsten Tanzkostüme gibt). Die Gruppen kämpfen gegen Rassismus, Sexismus und Feindlichkeit gegenüber LSBT*I* – in der gesamten Gesellschaft genauso wie in den indigenen Gemeinschaften und in der LSBT*I* Gemeinschaft. Ein wichtiges Thema ist die Prävention sexuell übertragbarer Krankheiten. Ein anderes die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in speziellen Internatsschulen, in die viele indigene Kinder zwangsweise eingewiesen wurden.

Weitere Informationen

Wenn Du mehr über Two-Spirits erfahren möchtest, kannst Du Dich hier informieren:

Lydia Nibley untersucht die Ermordung eines jugendlichen Two-Spirits in einem Film.

 

In Kooperation mit Dr. Lüder Tietz, CVO Universität Oldenburg

Illustrationen: Darcy Quinn