Patriarchat
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Definition und Ursprung
Der Begriff Patriarchat leitet sich ab vom griechischen patér (Vater) und arché (Ursprung, Herrschaft) und kann als Vaterrecht übersetzt werden. Heute beschreibt Patriarchat eine gesellschaftliche Ordnung, in der dem männlichen Oberhaupt einer Familie oder eines Haushaltes die rechtliche und wirtschaftliche Macht über die von ihm „abhängigen“ Familienmitglieder zugesprochen wird. Lange Zeit wurde das Patriarchat – ob bewusst oder unbewusst – als natürlich angesehen, häufig religiös, biologisch oder evolutionstheoretisch begründet. Doch zeigt ein Blick auf die Forschung: Patriarchat ist ein soziales System, welches sich über Jahrhunderte aufgebaut hat.
Die ersten patriarchalen Gesellschaftsordnungen entstanden nach heutigem Kenntnisstand vor 8.000 bis 6.000 Jahren in Mesopotamien, China sowie im Industal (im heutigen Pakistan und dem Nordwesten von Indien). Durch den Übergang der Gesellschaft von Gruppen aus „Jäger*innen- und Sammler*innen“ zur Landwirtschaft, konnten und mussten einerseits Lebensmittel und landwirtschaftliche Geräte auf Vorrat produziert werden. Andererseits entstand die Notwendigkeit, Land für den Anbau zu besitzen. So entstand die Idee von „Eigentum“ an Land, von dem sich die Eigentümer*innen durch Landwirtschaft ernähren konnten. Daraus folgte der Gedanke, dieses Eigentum nur an die eigenen Nachkommen zu vererben. Solange eine Frau aber mit anderen Männern verkehrte, konnte der Mann nie sicher sein, ob sein Eigentum an seine eigenen Nachkommen oder an die von einem anderen Mann ging. Wie sich diese Entwicklungen auf gesellschaftliche Beziehungsmodelle ausgewirkt haben, erfährst du auf der Tafel Liebe und Ehe jenseits von Monogamie.
Patriarchat der jüngeren Geschichte
Der Wandel der Gesellschaften in Europa durch die Industrialisierung und den Kapitalismus im 19. Jahrhundert brachte weitreichende Veränderungen. Es entstand eine auf Naturwissenschaft und Bürgertum aufgebaute Gesellschaft. Beides förderte ein Verständnis des Menschen, das nun grundsätzlich Männern und Frauen unterschiedliche Fähigkeiten zuordnete.
Der „Verstand“ wurde den Männern zugeordnet und den Frauen die Gefühle. Entsprechend arbeitete der Mann außerhalb des Hauses, wo er mit „seinem Verstand“ (und seiner Arbeitskraft) Geld verdiente. Die Frau sollte als „schwaches Geschlecht“ im Haus bleiben, wo sie mit Liebe die Kinder und den Ehemann versorgen sollte. Gestärkt wurde diese Vorstellung durch die Verbreitung der Evolutionstheorie. Ende des 19. Jahrhunderts ging der Soziologe Max Weber von einer biologischen Bestimmung der Machtverteilung zwischen Mann und Frau aus. Die Machtverteilung unter Männern könne zwar flexibel gehandhabt werden, nicht jedoch die Machtverteilung zwischen Mann und Frau. Die sei eben biologisch vorbestimmt.
Abschaffung des Patriarchats
Ausgegangen ist die Forderung nach Abschaffung des Patriarchats von Frauen, die nicht länger auf die Rolle der Mutter und Hausfrau beschränkt werden wollten. Erfolge bei der Zurückdrängung des Patriarchats waren zum Beispiel die Einführung des Wahlrechts für Frauen und der Kampf um das Recht auf Abtreibung. Eine detaillierte Darstellung der Frauenbewegungen in Deutschland findest du hier. Manche Forderungen, wie zum Beispiel die nach „gleichem Lohn für gleiche Arbeit“, beschäftigen uns noch heute. Der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern (Gender Pay Gap) lag in Deutschland im Jahr 2019 bei durchschnittlich 19 Prozent.
Wenn heute die Rede davon ist, „das Patriarchat abzuschaffen“, dann ist damit der Aufruf gemeint, ein System in Frage zu stellen, das alle Geschlechter in Rollen zwingt und kaum Rücksicht auf ihre persönlichen Wünsche, Vorlieben oder Lebensziele nimmt. Denn das Patriarchat bietet auch für Männer nicht nur Vorteile. Die stereotypischen Erwartungen an Männlichkeit verlangt Jungen und Männern Dinge ab, die diese unter Umständen gar nicht leisten wollen oder können.