Kathoey bezeichnet in Thailand und Laos Menschen, die nicht den Vorstellungen von einem Mann oder einer Frau entsprechen. Der Begriff wird häufig ab-wertend mit Shemale oder Ladyboy übersetzt. Diese Übersetzung zeigt sprachlich die Zusammenführung beider Geschlechter in einer Person. Kathoey ist aber keine eindeutig definierte Kategorie, denn im Gegensatz zu westlichen Vorstellungen werden Geschlecht und sexuelle Orientierung in Thailand viel fließender mit Übergängen gedacht. So können Kathoey Männer mit femininen Eigenschaften sein oder Männer, die weibliche Kleidung tragen, oder trans* Frauen oder homo- und bisexuelle Männer.

Akzeptanz durch das Zurückzahlen einer Karma-Schuld

Kathoey sind in Thailand in Großstädten im Alltag sehr sichtbar und weitgehend akzeptiert. Die Haltung zu ihnen hängt mit dem Theravada-Buddhismus zusammen, der Hauptreligion in Thailand. Demnach wäre jeder Mensch einmal im Laufe der Wiedergeburten Kathoey gewesen. Allerdings bedeutet die Wiedergeburt als Kathoey, dass der Mensch in einem vorherigen Leben schlechte Taten begangen haben muss und nun bei dieser Wiedergeburt die Möglichkeit hat, durch gute Taten „Verdienst“ zu erzeugen. Daher müssten Kathoeys eher bemitleidet werden als gehasst.

Stadt- und Landgefälle der Geschlechter­vielfalt

In ländlichen Gebieten Thailands gibt es seit Jahrhunderten die Vorstellung von drei Geschlechtern: „männliche“ Männer, „weibliche“ Frauen und Kathoey. In manchen Gegenden sind Kathoey ein völlig selbstverständlicher Teil der Dorfgemeinschaft, vollkommen integriert und hoch angesehen. Sie kümmern sich um die älteren Angehörigen, während heterosexuelle Kinder durch eigene Familiengründungen ihre Eltern oder Großeltern nicht so umfassend versorgen können.

In den Städten, in denen unter dem Einfluss der Globalisierung und westlicher Vorstellungen von Zweigeschlechtlichkeit Kathoey weniger stark in der Gesellschaft verwurzelt sind, befinden sie sich in einer ambivalenten Stellung. Einerseits sind sie in Großstädten sehr sichtbar und weitgehend akzeptiert, andererseits werden sie diskriminiert, z.B. seitens der Polizei, Justiz, vor allem aber im beruflichen Bereich.

Während Kathoey als Köch*innen und Verkäufer*innen Arbeit finden können, sind akademische Berufe mit großen Hürden verbunden. Dagegen sind sie im Showgeschäft stark vertreten. In dieser Nische können Kathoey zu „Volksheld*innen“ aufsteigen, etwa als Model, Schauspieler*in oder Schönheitskönig*in. Besonders faszinierend ist der Erfolg der Kathoey-Boxer*in Parinya Charoenphol. Sie besiegte im Ring männliche Boxer mit 18 Knockouts in 22 Kämpfen ohne, dass ihr Kathoey-sein den Kämpfen im Wege stand. Ihr Erfolg machte sie zu einem landesweit gefeierten Star

Kathoey in der Sexarbeit

Insbesondere in Großstädten wie Bangkok arbeiten viele Kathoey in der Sexarbeit und im Sextourismus. Während der Kriege der USA in Korea und Vietnam erlebte diese Sexarbeit in den 1960er und 1970er großen Aufschwung, als die USA ihre Soldaten für „Entspannungsurlaube“ („rest and recreation“) von der Front nach Thailand versetzten. Heute ist das Zentrum des Sextourismus in Thailand Pattaya, in der über 5000 Kathoey leben und viele davon in der Sexindustrie arbeiten, obwohl Sexarbeit in Thailand offiziell verboten und gesellschaftlich geächtet ist. Ebenfalls in Pattaya befindet sich das berühmte Varieté-Theater Tiffany’s. Hier treten ausschließlich Kathoeys auf. Jährlich findet hier die Schönheitswahl zur Miss Tiffany statt, bei welcher die schönste Kathoey gewählt wird.

Thailand als Zentrum für Gender-Medizintourismus

Der vergleichsweise freie Umgang der thailändischen Gesellschaft mit geschlechtlicher Vielfalt hat eine Industrie im Bereich der geschlechtlichen Angleichung hervorgebracht. Heute werden weltweit die meisten geschlechtsangleichenden Operationen in Thailand durchgeführt. Vor allem trans* Menschen aus anderen Ländern, in denen diese Eingriffe entweder nicht zugelassen sind oder von Krankenkassen nicht übernommen werden, fliegen nach Thailand. Der gesamte Medizintourismus macht rund drei Milliarden Euro Umsatz jährlich aus. So profitiert die thailändische Gesellschaft auch wirtschaftlich von ihrem gelassenen Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt.

Illustrationen: Darcy Quinn