Soziale Medien

Die Sozialen Medien zwischen Sichtbarkeit und Cybermobbing in der Filterblase

Auf den ersten Blick scheint es, als seien die sozialen Medien offen und würden Toleranz propagieren: es gibt Regenbogensticker, gleichgeschlechtliche Emojis, es wird auf immer mehr Plattformen die Möglichkeit geboten, zwischen verschiedenen Geschlechtsidentitäten und Sexualitäten für die Selbstbeschreibung auszuwählen. Während des Pride-Month (Juni) werden Hashtags mit Regenbogenfarben untermalt. Was jedoch dem*der einzelnen Nutzer*in angezeigt wird, hängt stark vom eigenen „sozialen Online-Umfeld“ sowie „Online-Verhalten“ ab. Die Algorithmen erfassen dieses Verhalten genau und zeigen gezielt und überwiegend Beiträge, die diesem Verhalten entsprechen. Anders gesagt: interessiere ich mich für eine tolerante Weltsicht, werden mir vermehrt Inhalte angezeigt, die meine Sicht bestätigen. Im Gegenzug werden Menschen mit weniger toleranten Einstellungen ebenfalls durch entsprechende Inhalte in ihren Haltungen bekräftigt. Insbesondere bei Jugendlichen zeigt sich häufig das Bedürfnis nach gemeinsamer Abgrenzung und nach verbindenden Emotionen. In der Folge verringert sich die Kommunikation, die Fronten verhärten sich und die Schere zwischen den Haltungen klafft immer weiter auseinander.

Digitaler Hass ist weiterhin Hass

Eine der weitreichenden Folgen der auseinanderdriftenden Filterblasen ist Cybermobbing. Menschen, die nicht der vorgeschriebenen Norm entsprechen, werden angefeindet, beleidigt oder bedroht. Laut einer Befragung sind 80% der deutschen queeren Jugendlichen Diskriminierung ausgesetzt. Dabei werden unterschiedliche Motive für Hassäußerungen genannt. Hierzu können Zugehörigkeitsgefühle zählen, ebenso wie Macht- und Kontrollausübung über andere Menschen oder der Wunsch, einfache Erklärungen für Unverständliches und Unbekanntes zu erhalten.

Sichtbarkeit über Soziale Medien

Die sozialen Netzwerke haben gleichzeitig dafür gesorgt, dass queere Themen einer breiten Masse bekannt geworden sind. Sie haben einerseits die Sichtbarkeit gesteigert und andererseits digitale Anknüpf- und Schutzräume geschaffen, in denen insbesondere junge queere Menschen die Möglichkeit haben, erste Erfahrungen zu sammeln. Das Internet und die sozialen Medien bieten für Viele manchmal die einzige Möglichkeit, sich über ein Thema zu informieren, sich mit Gleichgesinnten frei auszutauschen oder sich in schwierigen Situationen Hilfe und Unterstützung zu suchen.

Einfluss der digitalen Angebote auf analoge Strukturen

Digitale Sichtbarkeit, Vernetzung und Austausch haben inzwischen zu tiefgreifenden Veränderungen in der queeren Szene geführt: Viele Städte vermerken einen starken Rückgang von Besucher*innen von queeren Bars oder queeren Zentren. Während zuvor queere Clubs noch ein Schutzraum und für viele Menschen die einzige Möglichkeit war, Gleichgesinnte kennen zu lernen, hat sich heute vieles auf das Internet verlagert. Viele halten die Aufrechterhaltung von queeren Treffpunkten für wichtig und kämpfen für deren Erhalt. Andere sehen in dem Rückgang dieser Einrichtungen ein Zeichen für die Öffnung der Gesamtgesellschaft für queere Menschen und attraktiveren digitalen Möglichkeiten. Insbesondere junge queere Menschen oder Menschen aus ländlichen Gebieten sind nicht mehr darauf angewiesen Szenebars aufzusuchen, da sie entweder sich nicht mehr „verstecken“ müssen oder Bars und Clubs aufsuchen, die eine „Offen-für-alle“-Politik vertreten.

Illustrationen: Darcy Quinn